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Braillemonat: Besorgniserregende Trends für die Brailleschrift

  • Braillemonat © BSVÖ

Braille findet als Schriftsystem theoretisch weltweit Anwendung. Aber nicht überall kann es auch erlernt werden. Oft fehlen die Mittel und Möglichkeiten, Braille in den Schul-Unterricht zu integrieren oder späterblindeten Menschen den Zugang zu ermöglichen. Die Europäische Blindenunion hat das Thema in ihrem Positionspapier (September 2023) erläutert. Lesen sie hier, welche Trends und Lösungsmöglichkeiten die EBU festgemacht hat.

Unzureichender Erwerb von Braille-Lesefähigkeiten

Ein Braillegerät oder ein Dateiformat allein werden niemals ausreichen, um dem Nutzer die notwendigen digitalen Braille-Fähigkeiten zu vermitteln. Laut dem Bericht für die Europäische Blindenunion und der Europäischen Kommission von 2018, Braille Teaching and Literacy (2018), werden Kinder in vielen Ländern erst sehr spät mit elektronischen Braillegeräten und digitaler Brailleschrift vertraut gemacht, weil häufig keine unterstützenden Technologien zur Verfügung stehen. Dieses Phänomen wirkt sich negativ auf die Entwicklung der Lesefähigkeiten und die Fähigkeiten zur effizienten Nutzung der Braille-Hardware aus, da eine für das Lernen äußerst wichtige Lebensphase übersprungen wird.

Über den digitalen Kontext hinaus verweist der Bericht auf den Mangel an Werken, die in Papierform im Brailleformat verfügbar sind, was die Motivation eines Kindes für die Entwicklung angemessener Braille-Lesefähigkeiten weiter verringern kann.

Darüber hinaus zeigt der Bericht auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen zur "Situation der Brailleschrift" in neun europäischen Ländern, dass die Aktivitäten in den Bereichen Ausbildung, methodische Vorbereitung, Förderung und Verwendung der Brailleschrift sehr unterschiedlich sind. Keines dieser Länder hatte eine klare Vorstellung von der Anzahl und dem Status der Braille-lesenden Bevölkerung. Daher ist es schwierig, die Aktivitäten zur Entwicklung von Braille-Fähigkeiten zu bewerten und die potenzielle Zahl der Personen zu bestimmen, die von der Bereitstellung von Braille-Diensten profitieren könnten. Obwohl die Brailleschrift in den meisten der untersuchten Länder Teil des Bildungsprozesses in Regelschulen ist, wird der Braille-Unterricht von speziellen Helfern (Lehrern, Eltern, Sonderpädagogen) erteilt. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Qualität des Braille-Unterrichts unzureichend sein könnte. In den meisten Ländern wurde ein offensichtlicher Mangel an Tests der Braille-Fähigkeit und der Lesegeschwindigkeit festgestellt. Insgesamt wurde die Entwicklung der Lese- und Schreibfähigkeiten als unzureichend überwacht eingestuft.

Der Bericht enthält zwar viele Beispiele für bewährte Praktiken bei Lehr- und Spielmaterialien für die Braille-Schulung, aber, wie die Autoren feststellen: "Aus den Daten geht nicht klar hervor, ob es sich um weit verbreitete Praktiken oder um Einzelfälle handelt".

Auditive Wahrnehmung zum Nachteil der Brailleschrift

Ein weiterer besorgniserregender Trend besteht darin, dass Hilfstechnologien bevorzugt werden, die blinden und sehbehinderten Menschen einen schnellen Zugang zu Informationen durch auditive Wahrnehmung ermöglichen. Bildschirmlesesoftware macht Computer, Mobiltelefone, Tablets und einige andere Geräte wie Fernsehgeräte zugänglich und ermöglicht die Interaktion mit diesen Geräten. Die Produktion von Hörbüchern stellt eine große Erweiterung des Zugangs zu Literatur dar, und die sehr populär gewordenen Podcasts bieten unzählige Stunden des Zuhörens zu allen möglichen Themen.

Es ist schwer zu sagen, ob die bereits erwähnte relative Vernachlässigung des Braille-Unterrichts nicht mit der modernen Verfügbarkeit all dieser auditiven Hilfsmittel zusammenhängt. Auf jeden Fall wäre es ein Fehler, den auditiven Input nicht als willkommene Ergänzung zu den taktilen Wahrnehmungskanälen, insbesondere der Braille-Schrift, anzusehen. Diese Ergänzung entfällt natürlich bei taubblinden Menschen und oft auch bei Menschen mit Hör-Sehbehinderung.

Brailletexte, ob auf Papier gedruckt oder digital dargestellt, sind in Studium und Beruf wichtig, nicht nur als taktile Darstellung von Wörtern. Sie bieten strukturierte Informationen, mathematische oder statistische Formeln und die Möglichkeit, organisierte Informationen zu lesen und zu schreiben, die miteinander in Beziehung stehen.

Braille ist Teil der Zukunft

Als integratives Werkzeug, als Weg zur Barrierefreiheit, darf Braille weder unterschätzt noch vernachlässigt werden. Selbst wenn verschiedene Strömungen Braille zu verdrängen scheinen, bleibt die das Schriftsystem relevant. Der BSVÖ und seine Landesorganisationen bieten umfangreiche Informationen zum Thema Brailleschrift. Die Brailleschriftkommission des BSVÖ ist in aktuelle Prozesse integriert und berichtet regelmäßig zu Neuerungen und Projekten, die Braille in Europa und weltweit betreffen.

Bei konkreten Fragen wenden Sie sich an den Vertreter der Brailleschriftkommission des BSVÖ: OStR Prof. Mag. Erich Schmid

 

Weiterführende Links

Webseite Projekt Zukunft der Brailleschrift: https://www.ph-heidelberg.de/blinden-und-sehbehindertenpaedagogik/forschung/zubra-zukunft-der-brailleschrift/

BBI – Braillezentrum: https://bbi.at/service/braillezentrum/

Landesorganisationen des BSVÖ: www.bsv-austria.at

EBU Living Braille mit Downloadoption des Positionspapiers: https://www.livingbraille.eu/european-blind-union-issued-a-position-paper-about-braille/

BSVÖ im Fokus: Braillemonat III - Digitalisierung vs. Braille?: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/2075/BSVOe-im-Fokus-Braillemonat-III-Digitalisierung-vs-Braille

BSVÖ Kompetenzstelle für Barrierefreiheit: https://www.blindenverband.at/de/barrierefreiheit/Kompetenzstelle

EBU Living Braille mit Downloadoption des Positionspapiers: https://www.livingbraille.eu/european-blind-union-issued-a-position-paper-about-braille/

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