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BSVÖ im Fokus: Braillemonat III - Digitalisierung vs. Braille?

  • Braillemonat © BSVÖ

Die Digitalisierung baut viele Barrieren ab – und erschafft wieder neue. Gelingt es ihr, Braille zu verdrängen? Oder bleibt Braille als „handfestes“ Schriftsystem weiterhin relevant? Im Fokusthema der Woche lesen Sie hierzu mehr!

Ob QR-Scans, digitale Vorleseprogramme, smarte Apps, die Gegenstände erkennen – Braille scheint von einer Flut an digitalen Innovationen verdrängt zu werden.

Und tatsächlich bringen die digitalen Helferleins viele Vorteile mit sich. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass nicht alle Menschen mit smarten Geräten umgehen wollen oder können und dass Braille weiterhin als Grundlage der Schriftsprachenkompetenz gewertet werden muss. Braille lesen und schreiben zu können, bringt Autonomie und schafft Mittel der Kommunikation, erschießt Information und hilft bei der Orientierung – natürlich aber nur dann, wenn Braille auch als Mittel der Barrierefreiheit in den Alltag integriert wird.

Projekts „Zukunft der Brailleschrift“

Was Digitalisierung für Braille bedeutet und wie es um die Punktschrift steht, untersuchten Wissenschaftler:innen im Zuge des Projekts „Zukunft der Brailleschrift“, kurz ZuBra, das an der pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Züricher Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik durchgeführt wurde. Hierzu wurden 190 Braillnutzende in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihrer Verwendung der Schrift befragt, auf Lese- und Hörverständnis, Lese- und Hörgeschwindigkeit und ihre Rechtschreibfähigkeiten getestet.  Jene Untersuchungen der zweiten Erhebung ergaben:

Die zweite Erhebung des Forschungsprojekts ZuBra zeigt, dass blinde und hochgradig sehbehinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene grundsätzlich gute Kompetenzen in der Rechtschreibung und im Hör- und Leseverstehen aufweisen. Sie belegt jedoch, dass für das Lesen von Braille wie auch von Schwarzschrift deutlich mehr Zeit benötigt wird als für das Lesen ohne Sehbeeinträchtigung. Dies fällt besonders bei der Gruppe der dualen Lesenden auf. Bei den Rechtschreibkompetenzen kann festgestellt werden, dass die ZuBra-Teilnehmenden ähnliche Werte wie sehende Gleichaltrige erreichen.

Die Ergebnisse der zweiten Erhebung werden nun mit Fachpersonen diskutiert. Dabei geht es um die Bedeutung dieser Ergebnisse für den Unterricht und die Gewährleistung von Bildungsangeboten und Unterstützung.

Alle Ergebnisse zu ZuBra, das schriftsprachliche und technologische Kompetenzen sowie Strategien von Lernenden im Schul- und Ausbildungsalter untersuchte, finden Sie unter folgendem Link: https://www.ph-heidelberg.de/blinden-und-sehbehindertenpaedagogik/forschung/zubra-zukunft-der-brailleschrift/

Entweder oder?

Die Ideallösung ist wohl das Nutzen von Synergien. Braille als taktile Schrift darf nicht als antiquierte kleine Schwester der Digitalisierung gesehen werden, sondern vielmals als zeitbeständiger und nach wie vor grundlegender Gegenpart. Längst ist Braille durch Hilfsmittel wie die Braillezeile technisiert worden. Braille also nur als analogen Informationsträger zu werten, greift zu kurz, auch wenn die Schrift in dieser Form nach wie vor wichtige Aufgaben erfüllt. In der Verbindung mit Technologie und mit einer wachsenden Digitalisierung kann der Nutzen der taktilen Schrift ausgebaut werden.

Die stark sehbehinderte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Sylke Kirschnik hält in einem Bericht fest die Vorteile fest, die sich aus einer zweckgebundenen Nutzung verschiedener Schrift- und Lesesysteme ergibt:

„Auch die Digitalisierung kann Braille- und Schwarzschrift nur ergänzen. Hier sitzen Blinde und Sehende im gleichen Boot. Als fast ganz erblindete Wissenschaftlerin kann ich die Forschungsergebnisse meiner sehenden Kollegen, die sie mir als Textdateien mailen, problemlos an der Braillezeile lesen. Da die für meine Forschungen wichtigen Bibliotheken und Archive ihre Bestände zunehmend digitalisieren, sind sie für mich ohne Weiteres zugänglich. Noch muss ich Handschriftliches ausdrucken und stark vergrößert am Lesegerät lesen. Aber die digitale Handschriftenerkennung wird diesen Umweg bald erübrigen.“

(Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/warum-die-digitalisierung-fur-die-bildung-blinder-ein-segen-ist-5680132.html)         

Mehr ist mehr

Hier sind Entscheidungsträger:innen gefragt: Braille umfangreich als barrierefreie Lösung (zusätzlich zu digitalen Lösungen) anzubieten, ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen einen größeren Rahmen der Barrierefreiheit und trägt somit zu besserer Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen teil.

Weiterführend

BSVÖ Kompetenzstelle für Barrierefreiheit: https://www.blindenverband.at/de/barrierefreiheit/Kompetenzstelle

Kostenlose Windows-Programme (Christian Punz, BBI): https://www.punzinfo.at/htm/win.php

Projekt ZuBra: https://www.ph-heidelberg.de/blinden-und-sehbehindertenpaedagogik/forschung/zubra-zukunft-der-brailleschrift/

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