BSVÖ im Fokus: Brailleschrift lernen – mehr Forschung bitte!
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BSVÖ im Fokus: Brailleschrift lernen – mehr Forschung bitte! Grafik von Händen, die Braille lesen
Im BSVÖ-Fokus Monat Oktober dreht sich alles um den Geniestreich Brailleschrift. Diese Woche im Fokus: Die Braille-Alphabetisierung wird weniger, obwohl ihre Vorteile gut dokumentiert sind. Aber welche Strategien und technologische Hilfsmittel können das Erlernen von Braille schon im jungen Alter unterstützen? Und welche Rolle spielen Lehrer:innen dabei? Wir haben es für Sie zusammengefasst.
Eine Studie mit dem Titel „Wirksamkeit von Technologien für die Braille-Alphabetisierung von Kindern: eine systematische Übersicht“ aus dem Jahr 2022 (Original: Effectiveness of technology for braille literacy education for children: a systematic review) setzt sich mit verschiedenen Technologien zur Erlernung von Braille bei Kindern und jungen Erwachsenen im Alter von 0–21 Jahren auseinander.
Denn trotz der gut dokumentierten Bedeutung der Brailleschrift nimmt die Braille-Alphabetisierung laut der Übersichtsstudie weiterhin weltweit ab:
„Die National Federation of the Blind hat eine Krise der Braille-Alphabetisierung ausgerufen. Es wird vermutet, dass einigen Schüler:innen, für die dies angemessen wäre, kein Braille-Unterricht angeboten wird. Dies könnte auf die falsche Vorstellung zurückzuführen sein, dass Braille isolierend oder stigmatisierend wirkt, oder auf einen Mangel an qualifizierten Braille-Lehrenden. Dies wurde durch eine Umfrage unter Lehrern von Schüler:innen mit Sehbehinderungen aus dem Jahr 2011 bestätigt, die ergab, dass die meisten Lehrer:innen sich nicht sicher fühlten, ihren Schüler:innen assistive Technologien beizubringen. Diese Erkenntnis hat erhebliche Auswirkungen auf die Braille-Alphabetisierung, da viele Braille-Leser:innen Technologien wie aktualisierbare Braille-Displays verwenden, um auf Braille zuzugreifen.
Einig ist man sich darüber, dass ein frühzeitiger Kontakt mit Braille für die Erlernung und die gute Alphabetisierung entscheidend ist. Ausreichend Übung und eine individuelle Förderung sind zwar notwendige Punkte, de facto fehlt aber pädagogisches Fachpersonal, das dieser Aufgabe gewachsen ist.
Dabei ist die Bedeutung der Braille-Alphabetisierung gut dokumentiert. Hierzu heißt es:
Um lesen und schreiben zu lernen, muss man sich in irgendeiner Form mit Text beschäftigen. Für Menschen, die keine gedruckten Medien nutzen können, ist die Auseinandersetzung mit Braille erforderlich. Ryles stellte fest, dass Menschen, die Braille als ihr primäres Lesemedium nutzen, eine deutlich höhere Beschäftigungsquote (56 % gegenüber 33 %), einen höheren Anteil an Hochschulabsolventen (30 % mit Hochschulabschluss gegenüber 13 %) und eine höhere finanzielle Unabhängigkeit (25 % verdienen mehr als 25.000 Dollar gegenüber 7 %) aufweisen. Der Zusammenhang zwischen der Verwendung von Braille und den Beschäftigungsergebnissen wurde durch eine 2018 durchgeführte Umfrage bestätigt, die ergab, dass Erwachsene, die mindestens einmal pro Woche Braille verwenden, höhere Beschäftigungsquoten haben (65 % gegenüber 45 %). Die Verwendung von Braille trägt nachweislich zu einem positiven Selbstwertgefühl, Lebenszufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Menschen bei, die Braille in ihrer Kindheit, Jugend oder im Erwachsenenalter gelernt haben. Obwohl die Text-to-Speech-Technologie für einige Nutzer effektiv sein kann, hat sich gezeigt, dass Braille zu einem besseren Verständnis, weniger Gedankenabwanderung und der Entwicklung von Grammatik- und Rechtschreibfähigkeiten führt. Darüber hinaus ist Braille das einzige duale Lese- und Schreibsystem für den persönlichen Gebrauch, das es dem Leser ermöglicht, eine ganze Textseite zu erkunden, in Naturwissenschaften, Mathematik, Geografie und anderen verschiedenen Disziplinen eingesetzt werden kann und Eltern, Verwandten und Lehrern das gemeinsame Lesen ermöglicht, da Braille auch von Sehenden gelesen werden kann.
Fazit der Übersichtsstudie:
Wie sich herausstellte, ist die Studienlage zur Nutzung effektiver Technologien, die eine Alphabetisierung vorantreiben und das Braille-Verständnis fördern würden, nur mangelhaft. Die fehlende Datenlage macht ein strukturiertes Vorgehen schwieriger. Zusammenfassend heißt es:
Bislang gibt es nur wenige Studien, die sich mit Unterrichtsmethoden für die Braille-Alphabetisierung befassen, und noch weniger, die die Wirksamkeit von Technologien zur Erleichterung des Braille-Unterrichts untersuchen. Es besteht Forschungsbedarf zur Bewertung der Auswirkungen des Einsatzes von Hilfsmitteln auf die schulischen Leistungen blinder oder sehbehinderter Kinder und Jugendlicher. Diese systematische Übersicht zielt darauf ab, die verfügbaren Erkenntnisse zusammenzufassen, um dem Bedarf an fundierten wissenschaftlichen Belegen gerecht zu werden.
Weiterführender Link
Zum gesamten Text der Studie (englisch): https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30987518/