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BSVÖ Mythen der Barrierefreiheit: Am Schutzweg sind wir im Leo. Teil 22.

  • mythen der Barrierefreiheit © BSVÖ

Schutzwege tragen es schon in ihrem Namen: Sie geben Fußgänger:innen im Straßenverkehr Vorrang und schützen sie davor, beim Überqueren von Straßen von anderen Verkehrsteilnehmer:innen über den Haufen gefahren zu werden. So die Theorie. In der Praxis sind gerade blinde und sehbehinderte Menschen beim Passieren von Kreuzungen und Straßenquerungen erhöhter Gefahr ausgesetzt, die andere Seite nicht sicher zu erreichen. Warum das so ist und was das alles auch mit einer Verbesserung des Verkehrsflusses zu tun hat, erklären wir in „Mythen der Barrierefreiheit. Teil 22“

 

Im Straßenverkehr lauern viele Gefahren. Manche offensichtlicher, manche unerwartet. Für blinde und sehbehinderte Menschen sind diese Gefahrenpotentiale noch größer, was eine erhebliche Konzentration, Übung und nicht zuletzt Vorsicht voraussetzt, möchte man sich sicher und selbstbestimmt von A nach B navigieren. Aber nicht nur geräuscharme Fahrzeuge, die kaum wahrnehmbar sind, rücksichtslos gelenkte E-Roller, die auch auf Gehwegen überraschen, mitten am Gehweg geparkte Gegenstände oder unübersichtliche Verkehrssituationen wie Begegnungszonen können zu Unfällen und Zusammenstößen mit schlimmen Folgen führen. Auch Schutzwege werden mitunter ihrem Namen untreu.

Zebras und Lichtspiele

Schutzwege, umgangssprachlich auch Zebrastreifen genannt, bestehen aus breiten Querstreifen, die über die Fahrbahn führen, und sind mit einem Verkehrszeichen mit Symbol für den Fußgängerübergang ausgestattet. An manchen Schutzwegen stehen keine Ampeln, viele aber sind auch mit Ampeln ausgestattet.

Tick Tack!

Akustische Ampeln machen Straßenquerungen für blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmer:innen sicherer. In Wien gibt es rund 1330 Verkehrslichtsignalanlagen – so die fachlich richtige Bezeichnung – von denen rund 79 % auch mit akustischen Signalgebern ausgestattet sind. Für Österreich existieren keine veröffentlichten Gesamtzahlen. Generell finden sich in größeren Städten aber mehr akustische Ampelanlagen als im ruralen Bereich. Ein Zebrastreifen ohne akustische Ampelanlage ist für blinde und sehbehinderte Personen zwar eine theoretisch sichere Quermöglichkeit. Fehlt allerdings der Sound, kann auch nicht abgeschätzt werden, wann man gehen oder besser stehen soll. Der Schutzweg allein ist also noch lange nicht barrierefrei, geschweige denn sicher.

Hauptsache, der Verkehr fließt …

Neue Regelungen zum verbesserten Verkehrsfluss machen nun weitere Problemfelder auf. Denn das Abbiegen bei Rot kann zu erheblichen Zusammenstößen führen. Wer ahnt schon, dass es bei einer theoretisch sicheren Grünphasenquerung dazu kommen kann, dass Radfahrer:innen oder sogar PKWs, die eigentlich an einer roten Ampel stehen, dennoch rechts abbiegen dürfen? Die Gefahr, bei einem solchen Manöver übersehen zu werden, weil man sich als Fußgänger:in im toten Winkel befindet oder die Fahrer:innen unaufmerksam, zu schnell oder zu wenig problembewusst unterwegs sind, ist groß. Rechtsabbiegen bei Rot wird deshalb vom BSVÖ seit seiner Einführung aufs Schärfste kritisiert und darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Grundsätzlich ist Rechtsabbiegen bei Rot, anders als in den USA oder Deutschland, grundsätzlich verboten. Seit 2019 aber läuft ein Pilotprojekt an ausgewählten Straßenübergängen (dies ist derweil in Wien, Linz, Graz und Salzburg der Fall). In Wien gibt es etwa 654 Ampelanlagen, bei denen das Rechtsabbiegen oder auch Geradeausfahren bei Rot erlaubt ist. Spezielle Schilder bezeichnen die Möglichkeit, bei Rot rechts abzubiegen, wenn zuvor vollständig angehalten und sich versichert wurde, dass das Abbiegen möglich ist, ohne andere zu gefährden. Darauf müssen blinde und sehbehinderte Menschen vertrauen, wenn sie gleichzeitig die Straße queren – eine Voraussetzung, die sichere und selbstbestimmte Mobilität beschneidet.

Einmal rüber, bitte.

Sehende Passant:innen, die blinde oder sehbehinderte Menschen an potentiell gefährlichen Querungen treffen, können anbieten, die Straße gemeinsam zu queren. Vorausgesetzt, die Lage wird vorab durch Kommunikation geklärt, kann das kurze Geleit zur erhöhten Sicherheit beitragen. Wer blinde Personen wortlos am Ärmel packt und über die Straße mitnimmt, ist aber wohl weniger hilfreich unterwegs. Deshalb gilt immer: Beim Reden kommen die Leute zusammen und wer seine Hilfe anbietet und nicht beleidigt ist, sollte sie abgelehnt werden, kann nichts falsch machen.

Verkehr sicherer machen

Der BSVÖ setzt sich für sichere und selbstbestimmte Mobilität im Straßenverkehr ein. Dazu zählt, dass der Ausbau akustischer Ampeln vorangetrieben wird, Schutzwege längere Grünphasen aufweisen, um ein Queren auch für mobilitätseingeschränkte Personen zu erleichtern, Abbiegen bei Rot zu verbieten, kombinierte Querungslösungen für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen zu entschärfen, geräuscharme Fahrzeuge hörbarer zu machen, E-Roller zu regulieren oder auch Begegnungszonen sicherer zu machen. Und die Schutzwege? Die sind im Idealfall mit einer akustischen Ampelanlage und einem taktilen Bodenleitsystem ausgestattet, um auch wirklich ihrem Namen gerecht zu werden…

 

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