EU: Für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen
EU-Mitgliedstaaten bekennen sich zu mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen!
Am 30. Juni 2025 veröffentlichten die 27 EU-Mitgliedstaaten – darunter auch Österreich – in Warschau eine gemeinsame Erklärung zur Bewusstseinsbildung über die Lebensrealität und Rechte von Menschen mit Behinderungen. Diese Erklärung ist ein deutliches Zeichen für ein europaweites Engagement zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), zu der sich alle Mitgliedstaaten verpflichtet haben. Die Initiative steht im Kontext der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030, die konkrete Maßnahmen zur Förderung von Inklusion, Chancengleichheit und Barrierefreiheit vorsieht.
Gemeinsame Erklärung unter der polnischen EU-Ratspräsidentschaft legt konkrete Schritte fest: Fokus auf Medienpräsenz, Arbeitsmarkt, Barrierefreiheit und selbstbestimmtes Leben
Mehr Sichtbarkeit in den Medien – und endlich weg von Klischees
Ein zentrales Anliegen der Erklärung ist die stärkere und vielfältigere Repräsentation von Menschen mit Behinderungen in den Medien. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich dazu:
- die nationalen Medien aktiv zu ermutigen, Menschen mit Behinderungen als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft darzustellen,
- stereotype oder einseitige Darstellungen (z. B. als „Hilfsbedürftige“ oder „Held:innen“) zu vermeiden,
- sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen regelmäßig in Fernsehen, Radio, Zeitungen und sozialen Medien sichtbar sind – nicht nur im Kontext von Behinderung, sondern in Alltagsrollen, Politik, Kultur oder Sport.
Ziel ist es, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen, Vorurteile abzubauen und die Würde und Rechte von Menschen mit Behinderungen sichtbar zu machen.
Bewusstseinskampagnen auf nationaler Ebene geplant
In allen EU-Mitgliedstaaten sollen regelmäßig öffentlich finanzierte Kampagnen stattfinden, die:
- die Fähigkeiten und Potenziale von Menschen mit Behinderungen hervorheben,
- die Rechte gemäß der UN-BRK in den Fokus rücken,
- und die Akzeptanz in der Gesellschaft fördern.
Diese Kampagnen sollen in TV, Radio, Presse und auf digitalen Plattformen präsent sein und sich gezielt auch an Arbeitgeber:innen, Bildungseinrichtungen und Entscheidungsträger:innen richten.
Zugang zum Arbeitsmarkt: Potenziale erkennen und fördern
Die Erklärung enthält einen klaren Handlungsauftrag zur Verbesserung der Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen. Die EU-Staaten verpflichten sich dazu:
- das sogenannte Disability Employment Package umzusetzen – ein Maßnahmenpaket, das gute Praxisbeispiele und Leitlinien für inklusive Arbeitsplätze enthält,
- öffentliche Arbeitsvermittlungen, Sozialpartner und Unternehmen aktiv zu sensibilisieren,
- und Menschen mit Behinderungen besseren Zugang zum regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen – von der Bewerbung über die Einstellung bis hin zur langfristigen Beschäftigung.
Gerade für blinde und sehbehinderte Menschen ist das eine Chance, bestehende Barrieren im Berufsleben zu thematisieren und Verbesserungen einzufordern.
Selbstbestimmt leben: Von der Institution ins Leben
Ein weiterer Eckpfeiler der Erklärung ist das Bekenntnis zur Förderung des selbstbestimmten Lebens. Die EU-Staaten wollen:
- den Übergang von stationären Einrichtungen hin zu gemeindenahen Unterstützungsangeboten beschleunigen,
- den Einsatz von EU-Fördermitteln gezielt für inklusive Wohn- und Betreuungsmodelle lenken,
- und Beratung, Assistenz sowie technische Hilfsmittel für ein unabhängiges Leben ausbauen.
Die Europäische Kommission stellt dazu erstmals umfassende Leitlinien zur Förderung unabhängigen Lebens zur Verfügung, die die Staaten aktiv umsetzen wollen.
Digitale Barrierefreiheit – mehr als nur Technik
Nicht zuletzt verpflichten sich die Staaten zur konsequenten Umsetzung des European Accessibility Act, also der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit digitaler Produkte und Dienstleistungen. Das betrifft u. a.:
- Webseiten und mobile Apps öffentlicher wie privater Anbieter,
- digitale Angebote von Medienhäusern und Streamingdiensten,
- und Geräte wie Set-Top-Boxen oder Smart-TVs.
Ziel ist ein europaweiter Mindeststandard an digitaler Zugänglichkeit – ein Schritt, der insbesondere für blinde und sehbehinderte Menschen einen wichtigen Unterschied im Alltag macht.
Ein klarer Auftrag – auch an Österreich
Die Botschaft aus Warschau ist eindeutig: Menschen mit Behinderungen sollen als gleichberechtigte Bürger:innen gesehen werden – sichtbar, selbstbestimmt und mit vollem Zugang zu allen Bereichen des Lebens. Mit dieser Erklärung liegt ein konkreter Handlungsrahmen vor, der nun von jedem Mitgliedstaat – also auch von Österreich – mit Leben gefüllt werden muss. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich wird sich weiterhin aktiv einbringen, um die Umsetzung dieser Ziele mitzugestalten.