BSVÖ-Fokus: Alltagsbarrieren. Unfreiwilliges Treppensteigen.
Menschen nehmen aus unterschiedlichen Gründen die Stufen. Weil sie fit bleiben und ihre 10 000 Schritte unterbringen wollen. Weil sie enge Räume nicht gut leiden können. Weil der Lift defekt ist. Für blinde und sehbehinderte Menschen stellt sich aber oft nicht die Frage nach dem persönlichen Beweggrund, denn die Antwort lautet ganz einfach: weil der Lift nicht barrierefrei ist und nicht bedient werden kann …
Nach oben? Nach unten?
Je neuer die Gebäude, desto ausgefeilter die Liftsysteme. Und desto schlanker das Design. Da kann es dann schon passieren, dass Lifte nur noch eine glatte Oberfläche mit Touchscreens zur Auswahl bieten. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das eine Absage an die Barrierefreiheit, denn wenn nur auf visuelle Hinweise bei der Auswahl gesetzt werden kann, wird die Liftfahrt für Menschen mit Sehbehinderungen zur Odyssee.
Bitte Buttons
In den letzten Jahren war die Industrie kreativ in der Gestaltung moderner Auswahlfelder. Eines aber ist vielen gemein: Gewählt wird, indem das entsprechende Feld visuell wahrgenommen und angetippt wird. Das muss in manchen Fällen schon geschehen, bevor der Lift überhaupt erst angekommen ist. Fehlen haptische Auswahlfelder, die so beschriftet sind, dass das Stockwerk, das angefahren wird, ertastet werden kann, ist die selbstbestimmte Auswahl nicht mehr möglich. Fehlen dann auch noch die Sprachausgabe und die Durchsage, in welchem Stockwerk sich der Lift eben befindet, wird das richtige Ankommen für blinde und sehbehinderte Menschen erheblich erschwert.
Ob du wirklich richtig stehst, siehst du, wenn die Tür aufgeht …
Systeme, die mit besonderen Tücken aufwarten, verlangen schon vor der Auswahl des Stockwerks eine Berechtigungskarte. Dafür muss aber erst das Terminal zum Vorhalten gefunden werden können. Andere Liftsysteme, in denen gleich mehrere Aufzüge unterwegs sind, überraschen mit Liften, die zwar kommen, aber so leise ihre Türen öffnen, dass sie erst recht wieder verpasst werden, bevor sie blinde gefunden werden konnten. Wieder andere Systeme verlangen eine Vorauswahl des Stockwerks per Touchscreen, bevor der entsprechende Lift zielgerichtet geschickt wird. Da wird dann das Treppensteigen doch noch zur attraktiven Alternative.
Lifte für alle
Natürlich kann es niemandem zugemutet werden, nun mal die Stiegen zu nehmen, weil der Lift eben nicht barrierefrei bedienbar ist. Lifte müssen für alle benutzbar sein und sind im Idealfall breit genug, dass auch ein Rollstuhl bequem Platz findet, mit taktilen und entsprechend beschrifteten Auswahl-Knöpfen und mit einer Sprachausgabe ausgestattet, die sowohl die Auswahl bestätigt als auch das jeweilige Stockwerk durchsagt.
Der Blinden- und Sehbehindertenverband hat sich in der Vergangenheit für eine barrierefreie Normierung von Liften eingesetzt. So lief eine Kampagne der Europäischen Blindenunion unter der Leitung von DI Doris Ossberger, damalige Leiterin der Kompetenzstelle für Barrierefreiheit des BSVÖ, zur Abwendung der Annahme einer europäischen Norm, die z. B. Touchscreens in Liften als barrierefreie Lösung erlaubt hätte.