BSVÖ im Fokus: Alles Walzer inklusive! Musik bitte!
2025 ist nicht nur ein Jubiläumsjahr! Wir feiern 200 Jahre Braille-Schrift und auch 200 Jahre Walzerkönig Johann Strauss Sohn. Was Johann „Schani“ Strauss und sein großes musikalisches Erbe mit Inklusion zu tun haben und warum in der Ballsaison nichts über eine gute Haltung geht, erzählen wir im BSVÖ Fokus! Den Beginn machen wir mit der Musik. Universell einsetzbar und weltweit seit jeher Teil der menschlichen Kulturgeschichte, hat das Musizieren auch für blinde und sehbehinderte Menschen eine große Rolle gespielt.
Großes antikes Melodrama
Schon in der Antike lässt sich eine Tradition blinder Sänger und Erzähler festmachen. Der Berufsstand der Aoiden waren Dichter und Sänger, deren Kunst im Rahmen von Gastmählern genossen wurde. Unter ihnen galten die blinden Aoiden als besonders angesehen und talentiert. Bestes Beispiel: dem großen Dichter Homer, der die Ilias und die Odyssee verfasst haben soll, wird nachgesagt, blind gewesen zu sein.
Zu Hofe…
Im mittelalterlichen Europa fanden blinde Troubadoure mitunter am Hof Anstellung, so etwa der französische Bernart de Ventadorn, der sich landesweit einen Namen machte. Später prägten blinde Komponisten wie Francesco Landini die Musik der Renaissance und des Barocks.
Im Zeitalter der Klassik taten sich der englische Organist John Stanley und vor allem die Österreicherin Maria Theresia von Paradis als blinde Musiker:innen hervor. Beiden gelang es, Anerkennung und Ruhm über die Landesgrenzen hinweg zu verdienen. Dennoch steht Maria Theresia von Paradis als Frau in der historischen Rezeption hinter Größen wie Mozart – unverdient, wie viele Expert:innen meinen.
Noten auch für blinde und sehbehinderte Musiker:innen
Mit der Erfindung der Brailleschrift wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Grundstein für ein neues Kapitel gelegt: durch die Zugänglichkeit von Notenmaterial in Braille hatten blinde und sehbehinderte Menschen nun die Möglichkeit, Musik vom Blatt weg einzustudieren.
Tanz und musikalische Unterhaltung werden im 19. Jahrhundert zum gesellschaftlichen Highlight. Bälle, Feste, Hausmusik – hierfür steht auch die Familie Strauss, die in gleich mehreren Generationen für tanzbare musikalische Unterhaltung sorgte. Im selben Jahr, als Louis Braille die codierte Notenschrift erfand, wurde Johann Strauss Junior als ältester der Musikerbrüder Johann, Josef und Eduard Strauss geboren. Es sollte noch eine Weile dauern, bis er seine ersten Musikstücke notierte – ob diese zu seinen Lebzeiten schon in Braille-Notation erschienen, ist heute nicht bekannt.
Orchester ohne Dirigent:innen!
Neben blinden Komponist:innen und Solomusiker:innen hat auch die Tradition von Musikgruppen und Orchestern, die aus blinden Musiker:innen bestehen, lange Bestand.
Auch eigene „Blindenorchester“ sind seit Jahren Teil der weltweiten Musikgeschichte. 1971 wurde etwa das „Al Nour Wal Amal Orchester“ gegründet, das aus blinden und sehbehinderten Frauen aus Ägypten besteht und das bis heute erfolgreich um die Welt tourt. Das „Thai Blind Orchestra“ setzt sich aus rund 15 blinden Kindern zusammen, die westliche klassische Musik durch Braille-Noten lernen, und auch in Korea besteht seit 2011 das Korean Traditional Music Orchestra of the Blind.
Sound of Austria
Auch Österreich ist nicht arm an blinden und sehbehinderten Musiker:innen. Im Sonnenorchester, das in Salzburg angesiedelt ist, sind blinde Musiker:innen vereint, die gemeinsam musikalischen Hochgenuss produzieren und jährlich mehrere Konzerte zum Besten geben. Auch hier steht klassische Musik im Vordergrund.
Der Louis Braille Chor in Wien besteht aus 24 blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen allen Alters und überzeugt durch sein breites Repertoire. Der Chor probt donnerstags ab 18:30 Uhr im Louis Braille Haus, Hägelingasse 4-6, 1140 Wien!
Weiterführende Infos:
Louis Braille Chor: https://louisbraillechor.blogspot.com/2019/02/sing-mit-uns-im-louis-braille-chor.html
Sonnenorchester Salzburg: https://www.sonnenorchester.at