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BSVÖ: Pünktchen und Fingerkuppen. Mythen der Barrierefreiheit Teil 7.

  • myhen © BSVÖ

Wer die Braille-Schrift beherrscht, kann mittels Fingerspitzen Informationen lesen. Das will aber erlernt sein und ist nicht jedem blinden oder sehbehinderten Menschen automatisch in die Wiege gelegt, auch wenn das von vielen vermutet wird…

Braille ist eine hochkomplexe, taktile Schrift, im Volksmund auch als „Blindenschrift“ bezeichnet. Ihren Namen hat sie von Louis Braille, der sie in jungen Jahren Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte und zu einem Standard der Informationsbeschaffung blinder und stark sehbehinderter Menschen machte.

Braille zu erlernen ist zwar keine Hexerei, bedarf allerdings der Übung. Um die Punktschrift tatsächlich auch entziffern zu können, ist nämlich Fingerspitzengefühl und Geduld gefragt. In Einrichtungen wie dem Bundes-Blinden Institut in Wien (BBI) wird Braille nicht nur gelernt und gelehrt; hier gibt es auch die entsprechenden Unterrichtsmaterialen. Im Braillezentrum wird man schnell fündig, wenn man auf der Suche nach Information in Braille ist: von Büchern über Zeitschriften in Braille-Schrift, tastbare Pläne, Unterrichtsmaterial bis hin zu Visitenkarten werden hier Braille-Lösungen am laufenden Band produziert.

Mit den LEGO Braille Bricks© brachte der große Spielzeughändler ein Werkzeug auf den Markt, das inklusives Spielen und Lernen gemeinsam verwirklichen sollte. Zuerst exklusiv für Schulen und Bildungseinrichtungen produziert, kooperierte der BSVÖ mit LEGO und versendete die Braille-Steine an alle Bildungshäuser, die im gemeinsamen Unterricht mit den Steinen Spiel, Spaß und Lernen verbanden. Inzwischen können die Braille-Bricks von allen Interessierten käuflich erworben und ins private Lernen mit eingebunden werden.

Der BSVÖ ist mit der Brailleschriftkommission auch auf internationaler Ebene vertreten. Wer von Braille gar nicht genug bekommen kann, wird bei der Europäischen Blindenunion (EBU) schnell fündig: Tauchen Sie mit der Webseite www.livingbraille.eu der EBU in die Welt der Punkte!

Wenn Sie selbst die Brailleschrift lernen oder vertiefen wollen, so wenden Sie sich für laufende Angebote an Ihre Landesorganisation! Alle Landesorganisationen auf einen Klick finden Sie unter: www.bsv-austria.at

Für alle, die noch ein wenig in die Geschichte tauchen wollen: hier kommt der Lebensweg des Louis Braille!

Am Anfang steht der Unfall

Geboren am 4. Jänner 1809 in Coupvray in Frankreich als Sohn eines Sattlers, wuchs Louis Braille mit dem Handwerk des Vaters auf. Als er sich in jungen Jahren mit einem der scharfen Werkzeuge am Auge verletzt, greift die Entzündung auch auf das andere Auge über und lässt den Buben im Alter von 5 Jahren völlig erblinden.

Die Eltern, die Louis dennoch nach Kräften förderten, zeigten sich erfinderisch dabei, dem Jungen das Lesen beizubringen: Hierfür hämmerte der Vater flachköpfige Nägel in Buchstabenform in Hölzchen. Mit zehn Jahren kommt Louis an das Royale Institut für blinde Jugendliche in Paris, wo er erstmals mit einem vom Schulleiter entwickelten Blindenschriftsystem vertraut wird. 

Später, als Louis Braille auch die von Charles Barbier zu Artilleriezwecken entwickelte Codes, die auch in kompletter Dunkelheit entziffert werden konnten, erlernt, entwickelt er mit etwa 13 Jahren sein eigenes System, in das er das bereits Bekannte einfließen lässt und das er unermüdlich überarbeitete.

Bis zum französischen König...

1834 ist er so weit, dem französischen König der Julimonarchie, Louis-Philippe I., die selbstentwickelte Methode vorzustellen. Trotz Interesses Seitens des Monarchen bleibt das System allerdings weiterhin unterschätzt und missachtet. Als Louis Braille 1852 der Tuberkulose erliegt, hat sich das Lesesystem nicht durchgesetzt.

Während Braille als exzellenter Musiker und auch als Lehrer an der Pariser Schule der Blinden durchaus geschätzt und erfolgreich war, gelingt der erste große Durchbruch seiner Methode erst sechs Jahre nach seinem Tode. Das schon zwei Jahre davor endlich von der Regierung als offiziell anerkannte Braille-System wird beim Weltkongress der Blinden als Standardsystem des Lesens und Schreibens festgelegt.

Hundert Jahre nach Braills Ableben, im Jahr 1952, werden seine sterblichen Überreste exhumiert und im Pariser Panthéon zur Ruhe gebettet. Alleine seine Hände bleiben, in Marmor verschlossen, am Friedhof von Coupvray zurück.

 

 

 

 

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