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BSVÖ Mehrsinne Mittwoch - Raus aus der Nische: TBI für mehr Sicherheit am Schulweg

  • Mehrsinne Mittwoch © BSVÖ

Tebe-was? T-B-I. Das ist kurz für „taktile Bodeninformationen“. Viele sagen dazu „Blindenleitsystem“. Ganz falsch ist das nicht, aber sie können noch viel mehr, die TBI. Nerven von Eltern schonen zum Beispiel. Das glauben Sie nicht? Herausforderung angenommen.

Wer kennt sie nicht, die tastbaren Leitstreifen am Boden? Besonders in größeren Städten kann man das heutzutage zum Glück schon oft so sagen. Denn sie sind ziemlich präsent: in Bahnhöfen und anderen Gebäuden genauso wie draußen am Gehsteig, in Haltestellen oder bei Straßenübergängen. Doch während beispielsweise bei einer Rampe die meisten schon wissen, dass sie sehr viel mehr kann als Personen im Rollstuhl von einer Ebene zur anderen gleiten zu lassen, ist den wenigsten klar, wie viele Menschen von TBI profitieren können.

Zielgruppe der erste Stunde

Seien wir uns ehrlich: Ursprünglich wurden TBI natürlich schon entwickelt, um blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen bei der Orientierung zu unterstützen. Sie „Blindenleitsystem“ zu nennen ist trotzdem nicht ganz richtig, weil das besteht aus ganz verschiedenen Arten von Orientierungslinien. Zum Beispiel Mauern, Rasensteinkanten und anderen Elementen der gebauten Umgebung. TBI kommen erst dann zum Einsatz, wenn solche gebauten Elemente keine durchgehende tastbare Orientierung bieten.

Entlanggehen ist nicht alles

Bei Leitstreifen, die einfach den Verlauf von Gehwegen anzeigen, ist es je nach Umgebung sehr unterschiedlich, ob man welche braucht oder nicht. Auf einem Gehsteig, der seitlich durchgehend von Häusern begrenzt ist, kann es leicht sein, dass man über weite Strecken keine TBI anbringen muss, um Lücken in der tastbaren Orientierungslinie zu überbrücken. Wenn in den Häusern viele Geschäftslokale untergebracht sind, die ihre Ware zur Präsentation hinaus stellen, sieht die Sache schon anders aus. Auch auf großen Plätzen, auf denen man sich leicht verlieren kann, helfen TBI-Leistreifen, dass das nicht passiert. Es gibt aber auch TBI-Elemente, die eine Funktion erfüllen, die ein gebautes Element gar nicht erfüllen kann.

TBI mit Warnfunktion

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie spazieren fröhlich durch die Gegend und kommen zu einer Treppe, über die Sie hinunter gehen können. Wenn Sie gut sehen, ist das keine große Sache, nicht der Rede wert. Aber was, wenn nicht? Das wollen Sie sich nicht vorstellen? Kann ich nachvollziehen. Das Problem ist nämlich: Eine Treppe hat an ihrem oberen Ende nicht viel, worauf Sie mit dem Taststock stoßen können. Die Stufenvorderkante ist das Erste, das Sie damit wahrnehmen. Aber wenn Sie nichtsahnend mit vollem Tempo unterwegs sind, kann es leicht passieren, dass es an dem Punkt schon zu spät ist, um nicht die Treppe hinunterzustürzen.

Man könnte diese Gefahr ganz gut bannen, indem man vor dem Stiegenabgang eine Mauer aufbaut. Dann wird es aber schwierig sein, die Treppe zu nutzen. Unmöglich, könnte man auch sagen. Ist also nicht die allerbeste Lösung. Viel besser ist da ein sogenanntes Aufmerksamkeitsfeld am Boden. Das ist ein TBI-Streifen parallel zur Stufenvorderkante mit einem gewissen Abstand zu selbiger. Wenn Sie nun durch die Gegend spazieren, liegt der Streifen quer auf Ihrem Weg und sagt Ihnen damit etwas wie: „Moment, da kommt gleich irgendetwas, wo Du vielleicht aufpassen musst.“ So können Sie sich einbremsen und herausfinden, was dieses Irgendetwas ist. Die Angst vor dem Purzeln hat damit ein Ende.

„Stopp“ im Mehrsinne-Prinzip

Das Schöne an TBI ist: Wenn sie richtig gemacht sind, nehmen alle Menschen sie wahr. Blinde Menschen können sie ertasten, sehende Menschen können sie sehen. Mit ausreichend Kontrast, der in der Norm vorgegeben ist, gilt das auch für Menschen, die nicht gut sehen. Wenn alle sie wahrnehmen können, können sie auch alle nutzen. Klingt logisch, oder?

Eine weiterer Einsatzbereich für Aufmerksamkeitsfelder sind Straßenquerungen. Dort sollen sie verhindern, dass jemand ungebremst vom Gehsteig auf die Fahrbahn läuft, ohne davor die Lage zu checken. Und jetzt sind wir da, wo ich hin wollte.

Ungeahnte Möglichkeiten

Blinde Menschen brauchen diese Aufmerksamkeitsfelder bei Straßenquerungen, weil es dort sonst am Boden nichts Tastbares gibt, das rechtzeitig auf die Gefahrensituation hinweist. Das ist ganz ähnlich wie bei den Treppen. Aber was soll die Behauptung mit dem Schonen elterlicher Nerven?

Wenn Sie Kinder haben, schon einmal mit welchen unterwegs waren oder auch nur irgendwo beiläufig welchen begegnet sind, sind Ihnen zwei Dinge wahrscheinlich nicht neu: Erstens sind sie meist kleiner als Erwachsene und man übersieht sie besonders vom Auto aus leichter. Zweitens sind sie sich dessen nicht bewusst und haben von Natur aus keinen Schalter eingebaut, der sie daran hindert, ohne viel nachzudenken loszurennen, wenn sie auf der anderen Straßenseite etwas Interessantes erwartet. Wie man im Straßenverkehr überlebt, müssen sie erst lernen. Und TBI-Aufmerksamkeitsfelder helfen enorm dabei, es ihnen beizubringen.

So einfach ist das

Alles, was Sie dafür tun müssen, ist: Erklären Sie ihrem Kind, wofür das Aufmerksamkeitsfeld an dieser Stelle da ist. Und zwar möglichst nicht mit den Worten: „Das ist irgendwas für die Blinden.“, sondern etwas in der Art wie: „Es zeigt Dir, wo Du stehenbleiben sollst, bevor Du über die Straße gehst.“ Je nach Alter des Kindes und Ihren Wünschen können Sie dann auch noch hinzufügen, dass das Kind dort zum Beispiel auf Sie warten oder nach links und rechts schauen soll, bevor es weitergeht.

Wenn Sie das gemacht haben, dürfen Sie das Aufmerksamkeitsfeld arbeiten lassen und genießen. Ganz sollten Sie Ihr Kind natürlich trotzdem nicht seinem Schicksal überlassen. Sie können sich aber zumindest sicher sein, dass die Stelle, auf der es so landet, mit dem Abstand zur Fahrbahn und den guten Sichtverhältnissen, wirklich gute Voraussetzungen schafft, dass Ihr Kind lebend die andere Straßenseite erreicht. Nebenbei empfinde ich es als die elegantere Variante, als meinem Kind ständig „Bleib steheeeeeeen, stoooooooopp“, hinterherzubrüllen.

Inklusion kommt wie von selbst

Wie Sie das Ding benennen, bleibt Ihnen überlassen. Ich persönlich habe mich für „TBI“ entschieden, weil ich es cool finde, wenn meine Kinder mit solchen Begriffen um sich werfen. Das können Sie natürlich auch anders sehen. Es hat aber noch einen weiteren Grund, warum ich meinen Kindern gerne gleich den richtigen Begriff beigebracht habe: So wird er für sie genauso selbstverständlich wie die Sache, die er bezeichnet.

Wenn Sie TBI in die Verkehrserziehung Ihres Kindes einbauen, lernt es sie als natürlichen Bestandteil der gebauten Umwelt kennen. Das wird es sich merken. Und es wird nicht auf die Idee kommen, sich beim Anblick von taktilen Bodeninformationen zu denken: „Was ist denn das Komisches?“. Es wird auch nicht zu dem Schluss kommen, dass es „nur die Blinden“ baruchen. Im Gegenteil, vielleicht wird es sogar mitbekommen, wie blinde Kinder und Erwachsene es genauso nutzen wie es selbst.

Was bringt das der Gesellschaft? Kinder, die das gelernt haben, brauchen als Erwachsene bestimmt keine große Überzeugungsarbeit, dass TBI gebaut werden. Vielleicht werden sie auch ihr Rad oder ihren Roller nicht auf TBI parken. Damit finden alle, die auf TBI besonders angewiesen sind, nach und nach Verhältnisse vor, in denen sie sicher und selbständig unterwegs sein können.

Kontakt

Was denken Sie: War Ihnen dieser Mehrwert taktiler Bodeninformationen bewusst? Können Sie sich vorstellen, dass es ihn wirklich gibt? Nehmen Sie daraus etwas in Ihren Alltag mit? Oder klingt das alles für Sie eher an den Haaren herbeigezogen? Ihre Meinung interessiert mich! Wenn Sie Lust haben, schreiben Sie sie doch in eine Mail an Doris Ossberger unter do@wortklaviatur.at

 

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