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BSVÖ: Disability Pride Month IV: An Null und Eins anstehen

  • BSVÖ disability pride month © Bsvö

Der Juli ist Disability Pride Month und wir legen jede Woche den Fokus auf verschiedene Bereiche der Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe!
Die Welt wird digitaler, so viel steht fest. Und eigentlich könnte das für blinde und sehbehinderte Menschen ja viele Vorteile bringen. Und das tut es auch – aber nur, wenn Digitalisierung mit Barrierefreiheit Hand in Hand geht.

Eigentlich geht sehr viel…

Inge W. liebt Elektronik. Schon als Kind mit Sehbehinderung hat sie sich für alles interessiert, was unsichtbar in verschiedensten Geräten steckte. Sie zerlegte das ferngesteuerte Auto ihrer Schwester, reparierte die elektrische Brotschneidemaschine und klemmte sich mit Begeisterung hinter den PC, den es Anfang der Neunziger schon im Haushalt gab. Als sie schließlich ganz erblindete, wurde die Beschäftigung mit dem, was sich hinter der Bildschirmoberfläche verbargt, immer interessanter. „Ich kann mir ein Leben ohne meine Tech-Spielerein nicht vorstellen“, sagt sie über sich. Neben Smartphone und Smartwatch gibt es auch noch viele andere Utensilien, die sie im täglichen Leben nutzt. Trotzdem geht nicht immer alles ganz reibungslos voran. „Wenn man im Internet unterwegs ist und dafür nicht die Maus, sondern die Tastatur verwendet, wird es schnell umständlich.“

Praktisch unbrauchbar

Schuld daran sind Webseiten, bei deren Erstellung nicht auf Barrierefreiheit geachtet wurde. „Was man da alles findet…oder besser: nicht findet!“, hält Frau W. fest. „Links, die da sein sollten, aber fehlen. Links, die da sind, aber ganz wo anders hinführen. Formularfelder, die nicht zu bedienen sind. Suchbuttons, die nicht angesteuert werden können. Elemente über Elemente die nicht den Voraussetzungen für digitale Barrierefreiheit entsprechen. Und da habe ich noch gar nicht mit dem allgemeinen Aufbau von Webseiten angefangen…“

Digitale Qualen

Inge W. verwendet eine Braillezeile und einen Screenreader, um sich durch das weltweite Netz zu navigieren. Darin ist sie sehr gut, was auch daran liegt, dass sie gelernt hat, verschiedene Strategien anzuwenden. Würde sie sich nicht seit Jahren mit der Codierung von Webseiten auseinandersetzen, so stünde sie noch viel öfters an. „Es ist trotzdem höchst lästig, auf fast allen Seiten auf Fehler zu stoßen. Dabei ist digitale Barrierefreiheit für viele Anbieter inzwischen verpflichtend. Aber weil sich nicht alle Webseitenbetreiber:innen zu hundert Prozent auskennen, kommt es immer noch vor, dass wichtige Elemente einfach nicht bedienbar sind.“ Bei älteren Webseiten sei die Chance, sehr schnell in Sackgassen zu geraden, besonders groß. Aber auch neue Seiten, die eigentlichen die besten Voraussetzungen hätten, barrierefrei zu sein, weisen ihre Tücken auf. „Bei Relaunches kommt es auch oft vor, dass nichts mehr klappt, wie zuvor“, weiß Inge W. außerdem zu berichten. „Da werden funktionierende Systeme erneuert, aber nicht mit Expert:innen abgeglichen, ob das nun für alle benutzbar ist.“ Das ist besonders ärgerlich. Nachbessern ist zeit- und kostenaufwendig und leicht zu vermeiden, wenn von Anfang an mit Menschen zusammengearbeitet wird, die ihre Expertise im Bereich der digitalen Barrierefreiheit anbieten.

Shop-Stopp und die Hoffnung auf Besserung

„Letztens wollte ich ein Ticket für ein Konzert kaufen und hätte beinahe unabsichtlich 10 statt einem bestellt! Das wäre ein teurer Spaß geworden. Aber meistens ist es so, dass ich bei Webshops gar nicht erst bis zum Bestellen kommen. Da gibt es echt noch großen Nachholbedarf“, so Inge W.

Das neue Barrierefreiheitsgesetz soll hier aber endlich Abhilfe schaffen. Mit 28. Juni 2025 tritt das Bundesgesetz über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in Kraft. Es soll die Einhaltung von EU-weiten Standards bedingen und in verschiedenen Bereichen von Produkten und Dienstleistungen zu tragen kommen. PCs, Notebooks, Spielkonsolen müssen ebenso barrierefrei bedienbar werden, wie Zahlungsterminals, Apps und Webseiten für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten, elektronische Kommunikationsdienste oder eben Online-Shops. „Das Gesetzt ist ein wichtiger Schritt“, ist Inge W. überzeugt. „Auch wenn es noch länger dauern wird, bis alles umgesetzt ist: es braucht Regeln, sonst halten sich nicht alle an die Anforderungen.“

Blaupausen und Wegweiser

Digitale Barrierefreiheit ist ein riesiges und mit dem Wachsen der Digitalität zunehmend komplexer gestaltetes Thema. Trotzdem muss sich niemand vor ihr fürchten. Denn welchen Richtlinien man folgen muss, um im Ende eine barrierefreie Lösung zu finden, ist theoretisch sehr ausführlich vorgegeben. Die WCAG 2.0 (Richtlinien für barrierefreie Webinhalte) oder etwa die zahlreichen Anleitungen, Empfehlungen, Normen und Gesetzen zur digitalen Barrierefreiheit sind heiße Tipps für alle, die sich nach Orientierung sehnen.
Wichtig ist aber, beim Erstellen von digitalen Inhalten (dazu zählen natürlich auch Dokumente wie PDFs!) immer konsequent und von Anfang an darauf zu achten, dass alle Inhalte auch wirklich barrierefrei zugänglich sind.

Alle mitplanen = alle erreichen

Inhalte, die nicht barrierefrei sind, können auch nicht von allen Menschen abgerufen werden. Punkt.
Schon allein aus dem Gedanken heraus, eine möglichst breite und divergente Menge an Menschen erreichen zu können, sollte der Schritt zu durchdachten und gut ausgeführten Barrierefreiheit also selbstverständlich sein. Inhalte, die gewissen Nutzenden verschlossen bleiben, bedeuten aber auch Diskriminierung, Chancenungleichheit und Respektlosigkeit.

Fragen über Fragen?

Die Kompetenzstelle für Barrierefreiheit des BSVÖ kann Ihnen weiterhelfen, wenn Sie fragen zum Thema haben und Expert:innen vermitteln, die Ihnen bei der Kontrolle und Ausführung ihrer digitalen und barrierefreien Projekte zur Seite stehen!

Kontakt

eva.etzenberger@blindenverband.at

Telefon: +43 1 982 75 84 – 203
Fax: + 43 1 982 75 84 – 209
Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ)
Hietzinger Kai 85/DG
1130 Wien

 

Weiterführende Links

Kompetenzstelle für Barrierefreiheit des BSVÖ: https://www.blindenverband.at/de/barrierefreiheit/Kompetenzstelle

Die WCAG 2.0: https://www.w3.org/Translations/WCAG20-de/

 

 

 

 

 

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