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Nachlese zu den Webinaren der EBU 2020: AVAS – von einer erfolgreichen Gesetzgebung hin zur erfolgreichen Umsetzung und nächste Schritte

EBU+BSVÖ: Konferenz zu akustischen Informations- und Orientierungssystemen

2020 widmete sich die Konferenz der Europäischen Blindenunion akustischen Informations- und Orientierungssystemen. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (in Zusammenarbeit der Referate für Barrierefreies Bauen und für Internationale Zusammenarbeit) war Gastgeber für die Konferenz, die aufgrund von COVID-19 online stattfand. Der EBU-Focus Newsletter hat nun die Nachlese zur Konferenz auch auf Deutsch aufbereitet!

Bei den Webinaren zu akustischen Navigations- und Informationssystemen, die am 10., 18. und 27. November 2020 stattfanden, kamen viele Experten zusammen – sowohl aus Institutionen der EBU, als auch Entwickler einer Organisation für Blinde und Sehbehinderte sowie Hersteller, die schon seit Jahren auf diesem Gebiet tätig sind und somit ein Umfassendes Verständnis dafür haben, was die echten Bedürfnisse unserer Gemeinschaft sind.

Die Geschichte akustischer Systeme, die blinde und sehbehinderte Menschen zu einem gewissen Grad im Alltag unterstützen, reicht sehr weit zurück – dies hängt aber auch von der Komplexität der installierten Komponenten ab.

Lesen Sie nun den Beitrag von Prof. Altinsoy zur Anwendung und Umsetzung akustischer Warnsysteme geräuscharmer Fahrzeuge.

AVAS – von einer erfolgreichen Gesetzgebung hin zur erfolgreichen Umsetzung und nächste Schritte

Von Prof. Ercan Altinsoy, Lehrstuhl für Akustik und Haptik, Technische Universität Dresden

In unserem Alltag spielt das Gehör eine wichtige Rolle und ermöglicht uns die Interaktion mit unserer Umwelt, Objekten und anderen Personen. Schallsignale liefern uns verschiedene Informationen. Daher spielen das Gehör und Fahrzeuggeräusche eine wichtige Rolle für die Verkehrssicherheit. Dafür ist das rechtzeitige Erkennen von Fahrzeugen durch Fußgänger Voraussetzung. Elektrofahrzeuge bewegen sich jedoch bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h nahezu geräuschlos. Um dieses Risiko für alle Verkehrsteilnehmer, insbesondere für Kinder, sehbehinderte und ältere Menschen sowie Radfahrer, zu verringern, sollten leise Fahrzeuge künstlich erzeugte Geräusche abgeben. Zu diesem Zweck wurden bereits von verschiedenen nationalen und internationalen Behörden Standards hinsichtlich des Geräuschcharakters definiert. Die Regelung der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN-Regelung Nr. 138 - ECE/TRANS/WP.29/2016/26) und der US-amerikanische Federal Motor Vehicle Safety Standard (FMVSS) 141 sind zwei der bekanntesten Beispiele dafür.

Die Gesetzgebungen definieren den minimalen A-bewerteten Schalldruckpegel pro 1/3-Oktavband. Obwohl die Ergebnisse mehrerer wissenschaftlicher Studien bei der Erstellung der oben genannten Normen berücksichtigt wurden, werden wir erst in den nächsten Jahren erfahren, ob die geforderten Schalldruckpegel die beabsichtigte Verkehrssicherheit gewährleisten. Das Sammeln von Erfahrungen mit den definierten Mindestschallpegelanforderungen gerade bei sehr lauten Verkehrssituationen ist sehr wichtig. Alle Automobilhersteller und Zulieferer haben erfolgreiche technische Lösungen für die Umsetzung von AVAS entwickelt. Gleichzeitig werden einige technische Probleme auch in naher Zukunft noch von Bedeutung sein. Einige dieser technischen Probleme sind Richtcharakteristik, Frequenzgang- und Empfindlichkeitsschwankungen sowie die Platzierung des Lautsprechers. Der wichtigste Aspekt ist jedoch das Sounddesign.

Automobilhersteller entwerfen individuelle Warntöne unter Berücksichtigung der definierten Mindestanforderungen an Schalldruckpegel und Frequenz. Einige dieser Warntöne können von Fußgängern und Menschen leicht als Fahrzeuggeräusch erkannt werden, andere jedoch nicht. Einige dieser Geräusche informieren Fußgänger mit großem Erfolg über Betriebszustände wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Verzögerung, und einige nicht. Ein weiteres wichtiges Thema ist Umweltverträglichkeit. Sounddesign spielt eine wichtige Rolle für empfundene Lärmbelästigung durch Warngeräusche. Einige dieser Warngeräusche können für Anwohner sehr störend sein.

In den nächsten Jahren wird die Gesellschaft die Möglichkeit haben, die empfundene Lärmbelästigung verschiedener Warngeräusche zu bewerten. Autofahrer und -Hersteller werden die am wenigsten störenden Warngeräusche bevorzugen. Dies wird dazu führen, dass das Design von Warngeräuschen nach und nach weniger unangenehm wird. Das EU-Projekt eVADER und mehrere Forschungsgruppen, darunter auch meine eigene, versuchen, die technischen Umsetzungslösungen und Vorschriften zu verbessern. Eine mögliche Modifikation der Norm könnte beispielsweise eine automatische Anpassung des AVAS-Pegels in Abhängigkeit von Hintergrundgeräuschen beinhalten. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Zukunft ist die Erkennung von Fußgängern und das Aussenden eines gerichteten Schallstrahls nur in Richtung der Fußgänger, um unnötige Lärmbelästigung zu vermeiden.

Geräuscharme Fahrzeuge

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich setzt sich seit Jahren dafür ein, dass blinde und sehbehinderte Menschen sichere und selbstständige Mobilität erfahren. Dazu gehört, als Verkehrsteilnehmer_innen keinen zusätzlichen Gefahren ausgesetzt zu sein. Geräuscharme Fahrzeuge, die in den letzten Jahren ein immer stärkeres Marktsegment ausmachen, können zu einer Bedrohung für blinde und sehbehinderte Menschen werden, wenn diese nicht rechtzeitig wahrgenommen werden können. Ein Warnsystem, das das Verkehrsverhalten von geräuscharmen Fahrzeugen anzeigt, kann Unfälle vermeiden und zur sicheren und selbstständigen Mobilität aller Verkehrsteilnehmer_innen beitragen.

 

Text und Quelle AVAS: http://www.euroblind.org/newsletter/2021/february/de/avas-von-einer-erfolgreichen-gesetzgebung-hin-zur-erfolgreichen

 

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