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BSVÖ im Fokus: barrierefreie Mobilität IV – mit Recht unterwegs

  • Mobilität © BSVÖ

Selbstbestimmt mobil sein zu wollen, ist kein Luxusanspruch. Es ist das Recht aller Menschen. Das ist so auch in der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten. Vertragsstaaten müssen also dafür sorgen, dass dieses Recht auch umgesetzt wird. Aber halten sich auch alle daran?

Wohin es gehen soll

Persönliche Mobilität ist die Grundlage für Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe. Sie beginnt in den eigenen vier Wänden und umfasst viele Bereiche baulicher und digitaler Barrierefreiheit sowie inklusiver Serviceangebote. Mobilitätsbremsen wie Aufzüge oder Ticketautomaten, die nur mittels Touchscreen zu bedienen sind, beschränken die persönliche Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen ebenso wie fehlende taktile Orientierungssysteme oder Informationstafeln, die lediglich durch visuelle Signale Information vermitteln. Aber auch ein mangelhaft ausgebautes öffentliches Verkehrssystem vermindert die persönliche Mobilität von Menschen, die nicht selbstständig mit dem Auto, dem Fahrrad oder anderen selbstgelenkten Verkehrsmitteln unterwegs sein können. Gefahren für eine sichere persönliche Mobilität stecken in gefährlichen Verkehrssituationen, in denen Barrierefreiheit nicht gegeben ist oder aufgrund geräuscharmer Fahrzeuge, Begegnungszonen und rücksichtsloser Fahrweise von etwa E-Scooter-Lenkenden Konfliktpotential gegeben ist. Darüber hinaus sind blinde und sehbehinderte Menschen ohne Zugang zu Mobilitätshilfen und assistiven Technologien ebenso in ihrer selbstbestimmten Mobilität beschnitten.

Mit Recht unterwegs.

„Ich kenne meine Wege“, sagt Julia. Die 26-jährige Studentin ist seit Kleinkindalter hochgradig sehbehindert und hat sich verschieden Strategien zurechtgelegt, um so mobil wie möglich zu sein. Dazu gehörte auch das Orientierungs- & Mobilitätstraining in ihrer Landesorganisation. „Es hat mir immer sehr geholfen, mit professionellen Trainerinnen zusammen zu arbeiten und zu lernen.“ Wenn es neue Wege zu lernen gibt, meldet sie sich auch heute noch gerne bei ihren alten Trainerinnen. „Es gibt mir mehr Sicherheit, einen Weg gut zu kennen. Das ist die halbe Miete.“ Dass Julia dennoch regelmäßig vor neuen Barrieren steht, ärgert die Studentin. Und das zurecht, denn eigentlich sollte diese Barrieren gar nicht existieren.

Artikel 20 der UN-Behindertenrechtskonvention soll die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen mit größtmöglicher sicherstellen und verpflichtet die Vertragsstaaten, Maßnahmen zu setzen. Diese Maßnahmen können die bauliche Ebene oder auch Servicebereiche betreffen, können im einzelfallabhängig sein oder flächendeckend zur Anwendung kommen. Immer aber sollen diese Maßnahmen in Absprache mit Expert:innen ausgeführt werden. Wer über den Kopf von Menschen mit Behinderungen hinweg Entscheidungen trifft und in Planungsphasen nicht auf Expert:innenwissen zurückgreift, wird möglich mit teurem Nachrüsten rechnen müssen.

Vier Bereiche der persönlichen Mobilität

Die Vertragsstaaten sind laut Artikel 20 der Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, folgende Bereich abzudecken:

die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Art und Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichtern;

den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu hochwertigen Mobilitätshilfen, Geräten, unterstützenden Technologien und menschlicher und tierischer Assistenz sowie Mittelspersonen erleichtern, auch durch deren Bereitstellung zu erschwing­lichen Kosten;

Menschen mit Behinderungen und Fachkräften, die mit Menschen mit Behinderun­gen arbeiten, Schulungen in Mobilitätsfertigkeiten anbieten;

Hersteller von Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützenden Technologien ermutigen, alle Aspekte der Mobilität für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.

Was heißt das insbesondere für blinde und sehbehinderte Menschen?

  • Die meisten Menschen mit Sehbehinderung verfügen nicht über ein ausreichendes Restsehvermögen, um sich sicher und unabhängig mit Hilfe ihres Sehvermögens fortbewegen zu können. Sie müssen daher alternative Techniken erlernen, die den kinästhetischen, taktilen und auditiven Sinn, sowie das Restsehvermögen, nutzen. Dazu gehört unter anderem die Verwendung eines Taststockes, eines Blindenführhundes, von Sehhilfen und/oder elektronischen Mobilitätshilfen und globalen Positionierungssystemen. Der Zugang zu diesen Mobilitätshilfen muss sowohl physisch als auch finanziell sichergestellt werden.  
  • Wenn blinde und sehbehinderte Menschen eine Mobilitätsschulung bzw. Schulungen im Umgang mit Hilfsmitten benötigen, muss sichergestellt sein, dass diese von professionell qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt wird.
  • Weltweit betrachtet sind viele blinde und sehbehinderte Menschen finanziell nicht in der Lage, die vollen Kosten für Mobilitätshilfen wie z.B. einem aus hochtechnischen Materialien hergestellten Langstock, einer elektronische Mobilitätshilfe oder einen Blindenführhund zu tragen. Daher muss Unterstützung für die Bereitstellung, Instandhaltung, Reparatur und Wartung von Mobilitätshilfen gewährleistet werden.
  • Der weiße Stock ist in den meisten, wenn auch nicht allen europäischen Ländern als Symbol für Blindheit anerkannt. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist es wichtig, dass der weiße Stock diese Bedeutung bekommt, da dies zur Sicherheit blinder und sehbehinderter Reisender beiträgt und darauf hinweist, dass die betreffende Person unter Umständen Hilfe benötigt.

Auch in den nachhaltigen Entwicklungszielen, Ziel 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“, finden wir unter Punkt zwei die Forderung nach der Umsetzung von erschwinglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen. Durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen in prekären Situationen, Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen sowie älteren Menschen, sollen zugängliche und nachhaltige Verkehrssystemen für alle geschaffen und die Verkehrssicherheit verbessert werden.

Sichere und selbstbestimmte Mobilität ist ein Muss!

Wer selbstbestimmt unterwegs ist, kann Alltag und Beruf, Freizeit und Reisen nach eigenen Vorstellungen mitgestalten. Menschen mit Behinderungen sollen in dieser Freiheit nicht fremdbestimmt sein, sondern möglich frei uns individuell agieren können. Der BSVÖ fordert deswegen, dass Barrierefreiheit konsequent umgesetzt wird und Strategien zur persönlichen Mobilität mit Vertreter:innen und Expert:innen aus dem Kreis der betroffenen Menschen entwickelt werde. Hierfür ist der BSVÖ in verschiedenen Gremien, Netzwerken und Expert:innenkreisen vertreten und in zahlreiche Projekte zur Barrierefreiheit involviert. 

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