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BSVÖ: Sehen und Gesehenwerden. Opernball einmal anders.

  • Opernball © ORF/BSVÖ

Es ist der Ball der Bälle, der jedes Jahr zum medialen Höhepunkt der Wiener Ballsaison wird: der Wiener Opernball. Das Motto: Sehen und Gesehenwerden. Aber was, wenn einer der beiden Punkte schlichtweg wegfällt? Daniel ist blind. Und Daniel hat ein Ticket für das rauschende Fest in der Wiener Staatsoper. Wie sich die Ballnacht für ihn gestalten wird? Der ORF wird es dokumentieren. Wir können uns auf eine durchtanzte Nacht mit Daniel zwischen glamourösen Abendkleidern, Stars & Sternchen und Walzerklängen freuen!

Daniel war noch nie am Opernball. Es wird also eine Premiere für den jungen Kärntner, der aufgrund eines Gendefekts geburtsblind ist. Mit 10 Jahren kam eine Höreinschränkung dazu, die ihn medizinisch taubblind werden ließ – dank zweier Implantate aber bezeichnet er sich der Musikliebhaber und leidenschaftliche Tänzer als fast normal hörend. Jetzt, da der Ball immer näher rückt, ist die Vorfreude schon groß. „Das ist eine Gelegenheit, die gibt’s einmal und dann nie wieder“, ist sich Daniel sicher. Wie es dazu kam, dass er samt ORF das Tanzbein am Parkett der Staatsoper schwingen wird? Alles begann schon vor vielen Jahren…

Vom Medientraining in den Frack

Es ist schon länger her, dass der ORF eine Datenbank für Personen mit Beeinträchtigen eröffnet. Daniel ließ sich damals eintragen und erhielt 2022 die Möglichkeit, an einem Medientraining teilzunehmen. Das Training lief sehr gut und Daniel war mit großem Eifer dabei und als er2023 wieder an zwei Tagen an dem Training teilnahm, kam es zur Idee des Opernballbesuches. „Es ist eine große Chance, etwas Neues kennenzulernen und gleichzeitig als blinde Person in Öffentlich präsent sein zu können“, hält der Experte für barrierefreies Webdesign und Referent für Mobilität und Verkehrssicherheit des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Kärnten fest. Der für den Abend vorausgesetzte Frack wurde schon anprobiert, wofür Daniel im Kleiderfundus am Küniglberg ausgestattet wurde. „Die Kleidung ist glamourös, aber Wohlfühlen ist etwas Anderes“, hält Daniel fest. Aber, so unbequem der Frack auch ist – die Abendgarderobe ist streng vorgeschrieben: Wer in normalem Anzugsjackett kommt oder in kurzem Kleid muss wieder gehen, denn der Dresscode verordnet für Damen das lange Abendkleid und für Herren den schwarzen Frack. Es darf also geschwitzt werden – vor allem, wenn man ein so leidenschaftlicher Tänzer ist, wie Daniel.
Wie die Frackanprobe gelaufen ist, hat Wien Heute begleitet. Nachzusehen ist die Folge vom 30.1. unter folgendem Link: https://tvthek.orf.at/profile/Wien-heute/70018/Wien-heute-vom-30-01-2024/14211567

Rhythmus im Blut

„Ich bin ein leidenschaftlicher Tänzer“, gesteht Daniel, aber ob alles so reibungslos klappen wird, ist er sich noch nicht sicher: „Die große Frage ist: werden wir auf der Tanzfläche auch Platz finden? Ich werde mit Blindenschleife hingehen und bin gespannt, ob sie auf der Tanzfläche auch beachtet wird.“ Im Gedränge des Balles kann es ganz schön eng werden, dennoch freut sich Daniel schon auf die Möglichkeit, sich wieder ins Getümmel zu werfen. Sein Herz schlägt für langsame Walzer und für italienische Rhythmen. Letztere hat er in der Zeit, als er an der Handelsakademie war, lieben gelernt. „Meine Lehrerin war der Meinung, dass ich sprachlich begabt sei, aber der Lehrplan ließ eine ausreichende Förderung nicht zu. Damals wurde aber jedes Jahr eine Praktikantin aus Italien angestellt, um im Unterricht zu unterstützten. Die Lehrerin hat durchgesetzt, dass die Praktikantinnen pro Woche eine Förderstunde mit mir in Italienisch hielten. Mit diesen cleveren und temperamentvollen Studentinnen war meine Motivation groß, die Sprache zu lernen“, erzählt Daniel. „Auch heute steht mit das noch sehr gut an. Im fußballverrückten Italien werden nämlich sehr viele Spiele im Radio live übertragen. Nicht nur die Toppspiele, die ich auf Italienisch gratis anhören kann – auch Spiele von kleinen Ligen. Das ist so, als würde Ried gegen Amstetten auf Ö3 übertragen werden.“ Eins zu Null für italienische Barrierefreiheit!

Alles Walzer!

Damit es aber auch mit komplizierteren Tänzen wie dem Foxtrott gut klappt, braucht es eine passende Tanzpartnerin. Die hat Daniel mit Maria-Theresia Maschke, ehemalige Leiterin des SOS-Kinderdorfes Moosburg auch schon zur Seite gestellt bekommen. „Jeder andere hätte Herzdame gefragt, die wohl auch ja gesagt hätte“, meinte Daniel. „In diesem Fall aber darf ich mit Maria-Theresia, die selbst verheiratet ist, den Ball besuchen. Tatsächlich braucht es für den Abend ein umfangreiches Jobprofil: meine Tanzpartnerin soll sich in Wien auskennen, gerne zu Bällen gehen und ein Durchhaltevermögen haben. Die Unterstützung ist herausfordernd. Kameraerfahrung sollte sie ach haben um mit dem Fernsehteam umgehen zu können. Ich hätte gerne meine Assistentinnen mitgenommen, die haben aber von alleine abgelehnt, weil sie sich den Abend nicht zugetraut haben. Maria-Theresia Maschke hat viele Erfahrungen und kann gut damit umgehen und ich freue mich sehr auf den Abend mit ihr und vielen anderen Tänzerinnen am Ball!“

Tanzen gelernt hat Daniel in der Klagenfurter Tanzschule Eichler, die es leider nicht mehr gibt. Aber nur steif dem Standard folgen, ist nichts für den Kärntner. „Ich habe mir eine eigene Art zu tanzen zurechtgelegt. Ich liebe es, mich in die Musik fallen zu lassen. Durch Corona bin ich aber ein wenig eingerostet.“ Den Rost wird Daniel auf der Tanzfläche abschütteln. „Viele Männer haben Scheu davor, ich dreh aber richtig auf.“

Bis zum Morgenrot

Der Balltag wird lang. Tatsächlich gibt es für den 8.2.2024 schon einen minutiös getakteten Ablaufplan. „Wir fahren am Tag des Opernballs aus Klagenfurt ab und kommen in die Maske, dann zur Oper. Um 19:00 haben wir einen Live-Einstieg für die ORF-Sendung „Wien Heute“ an der roten Stiege und dann müssen wir möglichst stressfrei zur Veranstaltung kommen. Wenn wir schon einmal da sind, machen wir bis um 5:00 durch, dann geht der Zug wieder heim nach Klagenfurt.“ Die durchtanzte Nacht ergibt sich für Daniel auch aus ganz praktischen Gründen: „Ich bin nicht gern kurzfristig in Hotelzimmern. Da muss ich mich immer neu orientieren. Zumal bekommt man ein Hotelzimmer in der Opernballnacht wohl nicht ganz kostengünstig!“

Herr Baumeister, wie steht’s mit der Barrierefreiheit?

Eine Idee, die Daniel für den Abend hatte, war, Baulöwe Richard Lugner, der seit 1992 berühmte Gäste zum Ball bringt, zu fragen, ob wie viel er über Barrierefreiheit weiß. „Vielleicht geht sich aber auch ein Tänzchen mit Priscilla Presley, dem diesjährigen Stargast aus“, sagt Daniel lachend. Wenn das geschieht, sind die Kameras des ORF bestimmt dabei. Diese begleiten Daniel und Frau Maria-Theresia Maschke bis nach Mitternacht und werden über die Eindrücke und Herausforderungen berichten, die Daniel in der Ballnacht sammelt. „Wir haben Folgendes geplant: Leute, die herausstechen, sollen beschreiben, was das Außergewöhnliche an ihnen ist, damit ich mir ein Bild davon machen kann.“

Sensibilisieren am großen Parkett

Auch wenn es nach Spaß aussieht: Daniel leistet mit der Teilnahme am Ball wichtige Sensibilisierungsarbeit. Noch immer sind Menschen mit Behinderungen keine gleichberechtigt repräsentierte Gruppe im TV - von gleichberechtigter und selbstbestimmter Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ganz zu schweigen. Dass aber auch blinde und sehbehinderte Menschen oder andere Ballfreund:innen mit Behinderungen ihre Freizeit nach Herzenslust selbst und vor allem selbstbestimmt gestalten möchten, ist vielen nach wie vor nicht bewusst. Aber nur eine Gesellschaft, in der das Miteinander inklusiv und niederschwellig für alle chancengleich ermöglicht wird, hat Zukunftspotential. Dazu gehört, dass Strukturen und Prozesse barrierefrei gestaltet sind. Dazu gehört auch, dass Menschen mit Behinderungen von Anfang an mitgedacht werden, wenn Events geplant und umgesetzt werden. Daniel ist schon gespannt darauf, welche Erfahrungen er zwischen rund 5.150 Ballgästen sammeln wird. Und wir sind es auch.
Freuen Sie sich schon jetzt auf den Nachbericht vom Opernball!   

 

 

 

 

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